Diesen Bericht aus der SZ sollte man der Gemeinde nicht vorenthalten:
Von Violetta Simon
Arschgeweih, Stringtangas, Poritze: Die Hose ist tief gesunken, und was sie an den Tag bringt, ist nicht immer erfreulich. Doch es kommt noch schlimmer.
Am Anfang war das Arschgeweih. Die geschwungenen Tribals zierten in vollendeter Symmetrie den Nierenbereich und sorgten dafür, dass aus der rückwärtigen Intimzone ein öffentlicher Bereich wurde. Höchste Zeit für den Hosenbund, Platz zu machen und den Blick freizugeben auf jene Stelle, die in unserer Kultur schmählich vernachlässigt wurde: die Poritze.
Durchschnitten von Stringtangas mit Spitze oder Hello-Kitty-Motiven, erfuhr die gespaltene Region eine magische Anziehungskraft, geriet allmählich zum vertrauten Anblick und etablierte sich schließlich zu einer Art zweites Dekolleté der Frau. Mit anderen Worten: Der Kult um die Poritze führte den Hintern seiner primären Bestimmung zu, als wir noch auf vier Beinen liefen, auf Bäumen lebten und uns gegenseitig die Läuse aus dem Fell holten, nämlich: den männlichen Affen zur Paarung zu bewegen.
Dabei bleibt das, was den weibliche Hintern ausmacht, - auch wenn die zusammengequetschten Pobacken etwas anderes suggerieren - bedeckt! Was den Mann in Wahrheit rührt, ist der Anblick der prallen, runden Form in seiner Gesamtheit. Nicht die Andeutung seiner gespaltenen Persönlichkeit, die am Steiß entspringt und eine irritierende Botschaft aussendet: "Was du siehst, siehst du nur, weil meine Hose zu kurz und zu eng ist."
Logisch, dass der Funke beim Mann nicht so recht überspringen will, wenn sich eine Frau niederlässt und diese frustrierende Erkenntnis untermauert. Kein erhöhtes Paarungsaufkommen also - jedenfalls nicht aufgrund einer sichtbaren Poritze.
Also hoch mit dem Hosenbund, hinauf bis zur Taille? Von wegen, schon aus Prinzip nicht! Die Modeindustrie hat das lukrative Potential der Hüfthose noch lange nicht ausgeschöpft. Außerdem: Wär doch schade um die teuren Tätowierungen.
Die Amerikanerin Kimberly Brewer hatte eine bessere Idee: Sie pappte einen Aufkleber auf die Problemzone und nannte ihn "Backtacular". Das selbstklebende Stück Stoff in Jeansoptik wird direkt auf der Haut angebracht und wirkt nach dem Prinzip "Aus den Augen, aus dem Sinn".
"Ich war es leid, meine Ritze zur Schau zu stellen - und die der anderen betrachten zu müssen", erklärte sie. Ja, liebe Kimberly. Und wir erst! Es will einem nicht in den Kopf: Warum hat sie nicht stattdessen eine Damenhose erfunden, die uns diesen Anblick erspart?
Verausgabt hat sich Kimberly mit der Gestaltung der kleinen quadratischen Lappen auch nicht gerade: Die Designs beschränken sich auf sechs Motive wie zum Beispiel Schmetterlinge, Herzen oder Peace-Zeichen. Um die Zielgruppe dort abzuholen, wo sie sich befindet, sind sie selbstverständlich mit Strass besetzt.
Bleibt die Frage: Wozu musste die Hose so tief sinken, wenn das, was sie ans Licht bringt, auf derart geschmacklose Weise bedeckt wird? Weil man auch damit wieder Geld machen kann. Stimmt - da war ja noch was!
Ist es nicht bemerkenswert, wie die Modeindustrie uns immer wieder mit neuen Bedürfnissen füttert und sich selbst ad absurdum führt. Wir machen uns zum Affen. Das ist das einzige, was uns von ihm unterscheidet.
Sollten Zweifel bestehen: Ein kurzer Blick auf die Rückseite genügt. Der mit dem Poporitzen-Aufkleber kann sprechen.
(sueddeutsche.de/leja/bgr)